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«Es ist noch lange nicht an der Zeit, sich auszuruhen!»

Eine Studie beleuchtet, wie sich das Engagement von Fairtrade auf die Situation der Fairtrade-Kakaobauernfamilien ausgewirkt hat. Ein Gespräch mit Kakaoexperte Yanick Lhommel.

 

 

Die Studie des Impact Instituts zeigt, dass es den Fairtrade-Kakaobauernfamilien in Côte d’Ivoire im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2018 heute bedeutend besser geht. Überrascht Sie das Ergebnis?

Yanick Lhommel: Wir haben zwar ein gutes Ergebnis erwartet, aber nicht in diesem positiven Ausmass. Ein Grund dafür ist sicher, dass wir 2019 den Fairtrade-Mindestpreis von 2000 auf 2400 US-Dollar pro Tonne erhöht haben. Der Mindestpreis ist wie eine Preisgarantie zu verstehen, ein Sicherheitsnetz vor niedrigen Weltmarktpreisen. Wenn der Markt darunter liegt, schreiben die Fairtrade-Standards den höheren Preis vor. Ausserdem sind die Ernteerträge gewachsen und die Einnahmen aus der Diversifizierung haben sich deutlich erhöht: Die Kleinbäuer:innen bauen neben Kakao jetzt auch andere Pflanzen an und haben somit das ganze Jahr über ein stabiles Einkommen. Dadurch verringert sich ihre Abhängigkeit vom Kakao. Der Nettogewinn aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen ohne Kakao (pflanzlich und tierisch) stieg um das Vierfache und das ausserlandwirtschaftliche Einkommen um das Dreieinhalbfache. Das 2016 gestartete „Fairtrade West African Cocoa Programme“ hat ebenfalls zu Verbesserungen geführt. Dabei geht es darum, die Arbeitsweisen der Kooperativen in Côte d’Ivoire und in Ghana zu professionalisieren. Dadurch ist der Ertrag pro Hektar von 437 Kilo auf 625 Kilo gestiegen, das sind 43 Prozent!

Wie oft wurde der Fairtrade-Mindestpreis während der Studie ausbezahlt?

Côte d’Ivoire setzt für jede Ernte einen verbindlichen Preis fest. Zuletzt hat der Fairtrade-Mindestpreis bei 5 von 6 Ernten gegriffen und wurde ausbezahlt. Der staatlich festgesetzte Kakaopreis lag also nur ein einziges Mal über dem Fairtrade-Mindestpreis.

Laut Studie sind die Jahreseinkommen der Fairtrade-Kakaobauernfamilien in Côte d’Ivoire um durchschnittlich rund 85 Prozent gestiegen. Sind wir am Ziel?

Es ist noch lange nicht an der Zeit, sich auszuruhen! Auch wenn sich die Zahlen endlich in die richtige Richtung bewegen, liegt das jährliche Einkommen der Kakaobauernfamilien in Côte d’Ivoire bei nur 2740 US-Dollar pro Haushalt. Um existenzsichernd zu sein, müsste es 7468 US-Dollar pro Jahr und Haushalt ausmachen. 88 Prozent der Kakaobäuer:innen verdienen noch immer weniger!

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Die durchschnittliche Grösse der Anbauflächen für Kakao ist leicht geschrumpft, doch der Ertrag ist um rund 43 Prozent gestiegen. Ist das kein Widerspruch?

Nein, das ist kein Widerspruch. Die Baumdichte pro Hektar hat sich deutlich erhöht, von 1348 auf 1881 Bäume pro Hektar. Das ist der richtige Ansatz, um Abholzung zu vermeiden und die Landnutzung richtig zu steuern. Auch in Bezug auf den Ertrag können wir sehr zufrieden sein. Momentan sind wir bei 625 Kilo Kakaobohnen pro Hektar, das Ziel liegt bei 800 Kilo. Bei richtigem Schnitt und effizienter Wassernutzung ist dieses Ziel ökologisch und sozial nachhaltiger als die Bewirtschaftung von 2016 und 2017.

Neben dem Fairtrade-Mindestpreis gibt es noch die Fairtrade-Prämie. Doch diese macht meist weniger als 2 Prozent des Jahreseinkommens aus. Warum ist dieser Anteil so niedrig?

Die Fairtrade-Prämie wird direkt an die Kooperativen gezahlt und beträgt momentan 240 US-Dollar pro Tonne Kakaobohnen (Stand Sommer 2022). Wie das Geld verwendet wird, entscheiden die Kooperativen jedes Jahr neu. 2019 wurden 17 Prozent für direkte Barzahlungen an die Kakaobäuer:innen verwendet, was 40 US-Dollar pro Tonne oder den von Ihnen erwähnten 2 Prozent entspricht. Doch in erster Linie wird die Fairtrade-Prämie eingesetzt, um die Genossenschaftsstruktur und die Gemeinschaften zu unterstützen – beispielsweise durch Schulungen für die Kleinbäuer:innen, durch den Bau von Strassen oder Schulen. Ausserdem kann die Kooperative sie verwenden, um die eigene Infrastruktur zu verbessern und ihren Mitgliedern Ressourcen zur Verfügung zu stellen – etwa Anlagen zur Fermentierung, Trocknung oder Qualitätsverbesserung. Nur eine gut funktionierende Genossenschaft kann die Bäuer:innen auf Dauer stärken. Sie muss in der Lage sein, die Produkte zu vermarkten, qualitativ hochwertige und nachhaltig produzierte Bohnen zu einem fairen Preis zu verkaufen und gleichzeitig Einnahmen zu erzielen, die in weitere Entwicklungen investiert werden können. Diese Stärkung der Kooperativen ist Teil der Mission von Fairtrade. Auf diese Weise öffnet sich für Kleinbauernfamilien ein fairer Zugang zum globalen Markt. Fairer Wettbewerb und fairer Marktzugang sind Teil der DNA von Fairtrade.

Yanick Lhommel war viele Jahre in einem grossen Unternehmen in der Kakaowirtschaft tätig. Seit 2020 setzt er sich bei Fairtrade Max Havelaar als Business Development Manager für Kakao und Zucker für faire Einkommen für Kleinbäuer:innen ein. Dieses Interview erschien zuerst in der Kakaozeitung von FAIRTRADE Österreich.