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Fairtrade International begrüßt wesentliche Verbesserungen für Rechte von Kleinbauernfamilien

Das Europäische Parlament hat am 01. Juni 2023 das neue Lieferkettengesetz beschlossen. Die Richtlinie bietet eine einmalige Chance, die Verantwortung der Unternehmen für Menschenrechte und Umwelt zu stärken. In einer gemeinsamen Aussendung beziehen Fairtrade International, das Fair Trade Advocacy Office sowie Solidaridad und Rainforest Alliance Stellung dazu.

Das Parlament hat gegenüber dem Vorschlag der Europäischen Kommission wesentliche Verbesserungen erwirkt, insbesondere indem es von den Unternehmen verlangt, die potenziellen oder tatsächlichen nachteiligen Auswirkungen, die ihre Einkaufspraktiken und Geschäftsmodelle auf die Menschenrechte und die Umwelt haben, in ausreichender Form zu berücksichtigen. „Das ist eine wesentliche Verbesserung des Richtlinienvorschlags für Beschäftigte und Bauernfamilien, die letztendlich den Preis für unfaire Handelspraktiken zahlen", betont May Hylander, Policy and Projektbeauftragte im Fair Trade Advocacy Office.

Für Existenzsichernde Löhne und Einkommen

Das Parlament hat den Kommissionsvorschlag außerdem verbessert, indem es neben dem Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen für Bauernfamilien auch das Recht auf einen existenzsichernden Lohn für Beschäftigte in der Novelle implementiert hat. Ein Drittel der Lebensmittel, die wir konsumieren, wird von Kleinbauernfamilien produziert – sie erzielen laut Definition ein Einkommen anstatt eines Lohns. Daher ist die Unterscheidung und gleichzeitige Benennung von Löhnen und Einkommen sehr wichtig für die Novelle.

Viele von den Bauernfamilien haben Mühe, genug zu verdienen, um sich einen angemessenen Lebensstandard für ihren Haushalt leisten zu können. Den Haushalt zu finanzieren ist eine Sache, nachhaltigere Produktionsmethoden anzuwenden eine weitere Hürde, die Geld kostet und ausreichend berücksichtig werden muss. „Die Anerkennung des Rechts auf ein existenzsicherndes Einkommen im Rahmen der neuen Verordnung kann Unternehmen dazu veranlassen, ihre Einkaufspraktiken unter die Lupe zu nehmen und einen sinnvollen Beitrag zur Überwindung der Armut von Kleinbauernfamilien zu leisten", sagt Catarina Vieira, EU-Politikberaterin von Solidaridad.

Wie wichtig es ist, während des gesamten Due-Diligence-Prozesses sinnvoll mit den Betroffenen zusammenzuarbeiten und das Ausmaß, in dem die Unternehmen dies tun müssen zu definieren, wurden im Parlament ausführlich diskutiert. „Im Einklang der OECD-Leitlinien für die Sorgfaltspflicht bei verantwortungsvollem Geschäftsgebaren geht eine sinnvolle Einbindung der Stakeholder über eine bloße Konsultation hinaus. Sie soll den Unternehmen helfen, auf die Bedürfnisse und Bedenken der betroffenen Stakeholder einzugehen, unter besonderer Berücksichtigung der Gruppen, die am stärksten von nachteiligen Auswirkungen betroffen sind. Wir begrüßen, dass das Parlament diesen Ansatz verfolgt", betont Meri Hyrske-Fischer, Menschenrechtsberaterin von Fairtrade International.

Gute Ansätze mit ungeklärten Fragen

Darüber hinaus begrüßen die unterzeichnenden Organisationen die Klarstellung des Parlaments, dass ein Rückzug von Unternehmen aus Risikogebieten nur als letztes Mittel unter Berücksichtigung möglicher negativer Auswirkungen auf die Folgen für die Menschenrechte oder die Umwelt möglich ist. Leider ist die Einschränkung im Standpunkt des Parlaments vorhanden, dass eine Entflechtung nur dann als notwendig erachtet wird, wenn die Unternehmen direkt für die Verursachung oder zum Schaden beigetragen haben. Das widerspricht den Grundsätzen eines verantwortungsvollen Engagements, wie sie in den OECD-Leitlinien und UNGPs dargelegt sind. „In Übereinstimmung mit internationalen Normen sollte ein Unternehmen alles in seiner Macht Stehende tun, um die nachteiligen Auswirkungen zu beenden oder abzumildern und sich nur als letztes Mittel zurückziehen, wenn es nicht die nötigen Mittel für ausreichende Verbesserungen hat“, sagt Fanny Gauttier, EU Public Affairs Lead bei der Rainforest Alliance.

Insgesamt bleibt zudem festzuhalten: Der Standpunkt des Parlaments ist nicht perfekt. Er versäumt es, die Beweislast umzukehren, die der Schlüssel zur Gewährleistung des Zugangs zur Justiz für die Opfer wäre. Außerdem fehlt ein Artikel, der die Pflicht der Direktoren bei der Einrichtung und der Überwachung des Sorgfaltspflichtprozesses eines Unternehmens abdeckt. Dennoch verfügt das Europäische Parlament jetzt über ein solides Mandat für Trilog-Verhandlungen. Seine Position orientiert sich stärker an den OECD-Leitsätzen und den UNGPs und bietet eine höhere Wahrscheinlichkeit für praktische Wirksamkeit.

Es liegt nun in der gemeinsamen Verantwortung des Parlaments, der Kommission und des Rates, auf einen Kompromiss hinzuarbeiten, der die Ziele des Lieferkettengesetzes ehrgeizig vorantreibt und unbeabsichtigte negative Auswirkungen eindämmt. Dazu zählt auch die Vermeidung einer unverhältnismäßigen Sorgfaltspflicht, die weniger mächtige Akteure in globalen Wertschöpfungsketten stark belastet.

Hier geht es zur englischen Originalaussendung.