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Zivilgesellschaft begrüßt EU-Lieferkettengesetz: Betroffene müssen im Fokus stehen!

Die EU-Kommission legte nach dreimaliger Verschiebung heute endlich den Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vor. Österreichs Zivilgesellschaft fordert, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden besser unterstützt werden.

Wien, 23. Februar - Mit dem heute präsentierten EU-Lieferkettengesetz wurde von der EU-Kommission ein wichtiger Meilenstein gesetzt, um Menschenrechte sowie die Umwelt entlang von globalen Lieferketten zu schützen. „Das EU-Lieferkettengesetz ist ein essentieller Schritt, um das Zeitalter der freiwilligen Selbstverpflichtungen endlich zu beenden. Doch damit Menschenrechtsverletzungen, ausbeuterische Kinderarbeit und die Zerstörung unserer Umwelt nicht mehr an der Tagesordnung stehen, darf die EU-Richtlinie keine Schlupflöcher beinhalten, die es ermöglichen die Regelung zu untergraben”, warnt Bettina Rosenberger, Koordinatorin der Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze!”.

Das EU-Lieferkettengesetz wird für Unternehmen ab 500 Mitarbeiter:innen  und mit einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro gelten. Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, müssen in Zukunft menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten implementieren. Hierbei handelt es sich um eine Risikoanalyse, diese stellt ein wichtiges Instrument zur Prävention von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden dar. Die Richtlinie umfasst die gesamte Lieferkette und alle Sektoren. In Hochrisikosektoren, wie der Bekleidungsindustrie und der Landwirtschaft gilt das Lieferkettengesetz bereits ab 250 Mitarbeiter:innen und einem Umsatz von 40 Millionen Euro. KMUs werden vom Lieferkettengesetz nicht betroffen sein. „Dabei sind weder Anzahl der Mitarbeiter:innen noch Umsatz relevant für die Menschenrechtsverletzungen, die Unternehmen in ihrer Lieferkette verstecken”, reagiert Rosenberger mit Unverständnis.

„Somit wird das EU-Lieferkettengesetz für weniger als 0,2 % Prozent der Unternehmen im EU-Raum gelten. Doch Fakt ist: auch Unternehmen, die nicht die vorgegebenen Kriterien erfüllen, können in Menschenrechtsverletzungen involviert sein, Arbeiter:innen ausbeuten und unsere Umwelt zerstören, daher braucht es langfristig Maßnahmen, die alle Unternehmen betreffen”, so Rosenberger.

Durch die Verankerung der zivilrechtlichen Haftung konnte jedoch ein wesentlicher Fortschritt erreicht werden. Nur mit einer zivilrechtlichen Haftung kann gewährleistet werden, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen im Globalen Süden auch entschädigt werden. Betroffene können vor einem EU-Gericht eine Klage einreichen. Reine Strafzahlungen gehen an den Staat und stellen keine Abhilfe für Betroffene dar. Eine solche Haftung fehlt derzeit im deutschen Lieferkettengesetz. Dennoch bleiben andere rechtliche Hürden, die im Entwurf nicht berücksichtigt werden, wie hohe Gerichtskosten, kurze Fristen und ein begrenzter Zugang zu Beweisen für die Betroffenen.

„Damit Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten wirklich nachhaltig und umfassend geschützt werden, braucht das EU-Lieferkettengesetz noch umfangreiche Nachschärfungen und umfassende Geltung für alle Unternehmen. Die Zivilgesellschaft wird sich in den folgenden Verhandlungen mit EU-Kommission, Parlament und Rat dafür einsetzen”, gibt Bettina Rosenberger einen Ausblick.

Ein Anfang mit Symbolkraft

FAIRTRADE Österreich sieht in der langerwarteten Vorlage des EU-Vorschlags für ein Lieferkettengesetz ebenfalls einen Meilenstein. „Das ist gerade für Unternehmen, die bereits jetzt engagiert für faire Lieferketten eintreten, ein sehr positives Signal. Denn Menschenrechtsverletzungen dürfen in Zukunft kein Wettbewerbsvorteil mehr sein“, sagt Hartwig Kirner, Geschäftsführer von FAIRTRADE Österreich.

Mit einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht entstehen auch Kosten, die jedoch nicht auf die Produzentenorganisationen in den Ursprungsländern abgeschoben werden sollten. So kann ein EU-Lieferkettengesetz jene vulnerablen Gruppen wirksam schützen, die von der Wertschöpfungskette oft ohnehin am wenigsten profitieren.

Dazu Kirner weiter: „Wir müssen den Gesetzentwurf nun genau ansehen und dabei besonderes Augenmerk auf wichtige Detailfragen richten. Unter anderem welche Unternehmen von dem Gesetz warum ausgenommen sind oder wie Verstöße gegen faire Lieferketten in der Praxis sanktioniert werden können – das sind Fragen, die enorm wichtig sind.“

Ein EU-Lieferkettengesetz sollte damit in Zukunft als für alle gültiger Mindeststandard für nachhaltige Produktionsbedingungen Gültigkeit haben. „Ich bin überzeugt, dass der heutige Tag den Beginn einer weitreichenden positiven Entwicklung in Richtung fairer Lieferketten markiert. Wir müssen aber alle gemeinsam weiter konsequent daran arbeiten, dass dieses ambitionierte Ziel in den kommenden Jahren auch tatsächlich umgesetzt wird.“, so Kirner abschließend

Expert:innen von NGOs, AK und ÖGB laden gemeinsam mit Rechtsanwältin Michaela Krömer zum Pressegespräch am Donnerstag, 24.2.2022, um 10 Uhr.
Hier gehts zur Anmeldung: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220222_OTS0160/aviso-online-mediengespraech-eu-lieferkettengesetz-do-242-10-uhr

Die Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze!“ wird von FAIRTRADE Österreich als Teil der Treaty Alliance mitgetragen und fordert ein Lieferkettengesetz in Österreich und in der EU sowie Unterstützung für das UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten. Das Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) koordiniert die Kampagne: www.menschenrechtebrauchengesetze.at