Fairtrade und unternehmerische Sorgfaltspflicht

Wie ihr Unternehmen mit Fairtrade bestimmte Aspekte dieser Sorgfaltspflichten erfüllen kann

Grundsätzlich sind Unternehmen für die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten in ihren Unternehmen und Lieferketten selbst verantwortlich. Mit der Nutzung FAIRTRADE-zertifizierter Produkte und der Umsetzung der FAIRTRADE-Vorgaben zu fairem Handel können Unternehmen bestimmte Aspekte dieser Sorgfaltspflichten erfüllen. 
 

Sorgfalt durch die Einhaltung von Standards, Beratung und Schulungen

Die FAIRTRADE Standards für Kleinbauerngenossenschaften und lohnabhängig Beschäftigte sowie der FAIRTRADE Textilstandard leisten einen wichtigen Beitrag zur überprüfbaren Einhaltung der Menschenrechte. Die Unterstützung und Beratung, auf die FAIRTRADE-zertifizierte Organisationen zurückgreifen können, sorgen darüber hinaus dafür, dass die Einhaltung menschenrechtlicher Vorgaben besser umgesetzt werden kann.

Unternehmen, die ihrer Verpflichtung zum proaktiven, sorgfältigen Umgang mit menschenrechtlichen Vorgaben in ihrer Beschaffungspraxis umfänglich nachkommen wollen, können daher bezüglich der FAIRTRADE-zertifizierten Produkte in ihrem Sortiment auf die Unterstützung von FAIRTRADE vertrauen.
 

Sorgfalt durch Transparenz und Beschwerdemechanismen

FAIRTRADE unterstützt Sie bei der Transparenz ihrer Lieferketten. Grundsätzlich sind alle FAIRTRADE-zertifizierten Produkte entweder direkt oder indirekt rückverfolgbar. Wenn alle Akteure in der Lieferkette zustimmen, können Lieferketten für physisch rückverfolgbare Produkte transparent dargestellt werden. Der „FAIRTRADE Code“ bietet Unternehmen die Möglichkeit, die Lieferkette ihrer FAIRTRADE-zertifizierten Produkte für Verbraucherinnen und Verbraucher transparent aufzuzeigen. In Bezug auf die Produktionsbedingungen werden sowohl Kleinbauerngenossenschaften als auch Betriebe mit lohnabhängig Beschäftigten regelmäßig durch FLOCERT auf die Einhaltung der FAIRTRADE-Standards auditiert. Neben der Kontrolle durch regelmäßige Audits können bei FLOCERT im Bedarfsfall Hinweise zu Verstößen gegen die Standards eingereicht werden. Diese Hinweise können von Privatpersonen genauso gegeben werden wie von Dritten (z.B. Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen oder anderen zertifizierten Unternehmen).
 

Menschenrechtliche Verantwortung für Arbeiterinnen und Arbeiter

Die FAIRTRADE Standards für Lohnarbeit und für Kleinbauernorganisationen übersetzen menschenrechtliche Vorgaben in konkrete überprüfbare Kriterien, die Betriebe umsetzen müssen. Hierzu gehört für die größeren Betriebe genau wie für die Kleinbauerngenossenschaften das eindeutige Verbot, ArbeiterInnen die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft zu verbieten, oder sie wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements in irgendeiner Weise zu diskriminieren, sowie darüber hinaus die Aufforderung, die Selbstorganisation der ArbeiterInnen proaktiv zu fördern. (Standard für Lohnabhängig Beschäftigte, 3.4; Standard für Kleinbauernorganisationen 3.3.13, 3.3.14, 3.3.15 und 3.3.16) Größere Lohnarbeitsbetriebe müssen zusätzlich ein Abkommen zur Vereinigungsfreiheit unterzeichnen (Standard für Lohnabhängig Beschäftigte, Anhang 3), das Elemente wie die Verpflichtung zur Freistellung für gewerkschaftliche Arbeit und für Fortbildungen enthält sowie die Verpflichtung, alle Arbeiter in ihrer eigenen Sprache verständlich über ihr Recht auf Selbstorganisation zu informieren.

Darüber hinaus ist auch das Recht auf einen existenzsichernden Lohn ein Menschenrecht. Für diesen Bereich sehen die FAIRTRADE Standards neben der Unterstützung von Tarifverhandlungen (s.o.) die Verpflichtung vor bis zur Erreichung eines existenzsichernden Lohns die Löhne jährlich über das Inflationsniveau hinaus zu erhöhen (Standard für Lohnabhängig Beschäftigte, 3.5.4 ). Als Standardsetzer und Zertifizierungssystem kann FAIRTRADE durch solche Regelungen fördernd auf die Lohnhöhe einwirken. Unter anderem ermittelt FAIRTRADE mittels eines wissenschaftlichen Verfahrens regelmäßig die Höhe der existenzsichernden Löhne für Sektoren/Betriebe von FAIRTRADE-zertifizierten Lohnarbeitsunternehmen. FAIRTRADE ist jedoch nicht Käufer oder Eigentümer der Ware. Insofern ist ein existenzsichernder Lohn nur mittels der gemeinsamen Verantwortungsübernahme aller Akteure entlang von Lieferketten leistbar.

Menschenrechtliche Verantwortung für den Schutz von Kindern

FAIRTRADE verfolgt einen umfangreichen Ansatz zur Einhaltung und Stärkung von Kinderrechten in den zertifizierten Organisationen und Betrieben FAIRTRADE ist gerade in den Weltregionen besonders aktiv, in denen Fälle von Kinderarbeit und Zwangsarbeit häufig vorkommen. FAIRTRADE kann daher keine Garantie geben, dass nie Fälle von Kinderarbeit oder Zwangsarbeit in FAIRTRADE-Lieferketten aufgedeckt werden. Aber: Die FAIRTRADE-Standards beinhalten unmissverständliche, detaillierte Vorgaben gegen Kinder- und Zwangsarbeit. Werden Verstöße festgestellt, verfolgt FAIRTRADE gemeinsam mit lokalen Organisationen und Behörden ein robustes und klar definiertes System der Abhilfe, in dem der Schutz der betroffenen Personen an erster Stelle steht. Gleichzeitig wird in FAIRTRADE-zertifizierten Lieferketten aktiv an der Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit und an der Bekämpfung der Ursachen gearbeitet. Die FAIRTRADE-Mindestpreise und die Prämie schaffen ein höheres Einkommen für Kleinbauernfamilien und lindern so deren wirtschaftliche Notlage. Gleichzeitig entscheiden sich Kleinbäuer*innen und Arbeiter*innen häufig dafür, einen relevanten Teil der Prämie in schulische Bildung zu investieren, was ebenfalls die Situation von Kindern verbessert. Die Stärkung von Gewerkschaften und die Stärkung anderer lokaler Strukturen der Selbstorganisation und des Kindesschutzes, ebenso wie das von FAIRTRADE entwickelte „Youth Inclusive Community Based Monitoring and Remediation System” (inklusiver lokaler Jugendschutz-Ansatz) sind zusätzliche Beispiele für die aktive Arbeit von Fairtrade an diesen Themen. In der Zusammenarbeit mit FAIRTRADE können Unternehmen sicher sein, dass kein Fall von Kinderarbeit oder Zwangsarbeit auf sich beruhen gelassen wird und dass durch die Standards und die begleitende Arbeit mit den Produzentenorganisationen und in den Gemeinden ein Beitrag zur Prävention und zur Abschaffung der Missstände in den Regionen geleistet wird.

Menschenrechtliche Verantwortung für Frauenrechte

FAIRTRADE verfolgt einen umfangreichen Ansatz zur Einhaltung und Stärkung von Frauenrechten in den zertifizierten Organisationen und Betrieben. Basierend auf den Grundsätzen der UN Women´s Empowerment Principles setzt sich FAIRTRADE für mehr Frauenrechte ein.  FAIRTRADE zertifizierte Produzenten halten Standards gegen Diskriminierung und für Gesundheitsschutz ein. Da sexuelle Nötigung und sexueller Missbrauch sich immer noch in allen Ländern der Welt vor allem gegen Frauen richtet und oft zum Arbeitsalltag gehört, gibt es in den FAIRTRADE Standards spezielle Vorkehrungen, um gegen diese Realität vorzugehen. Zertifizierte Betriebe müssen sexuelle Nötigung definieren und einen leicht zugänglichen internen Beschwerdemechanismus dafür haben (Standard für lohnabhängig Beschäftigte 3.1.6., 3.1.7.) Daneben besteht die Möglichkeit einer Beschwerde bei Flocert wegen Zuwiderhandlung gegen die FAIRTRADE Standards.

Die UN Women´s Empowerment Principles sehen außerdem vor, dass Organisationen Geschlechtergerechtigkeit in ihren Führungsstrukturen als Thema etablieren (Prinzip 1) und durch Projekte in der lokalen Gesellschaft umsetzen (Prinzip 6). Die FAIRTRADE Produzentennetzwerke in Lateinamerika und Afrika haben hierzu bereits Vorschläge und Handlungsempfehlungen entwickelt. Eine wachsende Zahl an Kleinbauerngenossenschaften entwickelt auf dieser Grundlage eigene Handlungspläne zur Geschlechtergerechtigkeit, die von den Vollversammlungen als höchstem Gremium beschlossen werden und von den Vorständen der Organisationen und ihren Angestellten zusammen mit den Kleinbauern umgesetzt werden. Diese Anstrengungen der FAIRTRADE zertifizierten Kooperativen werden durch Projekte wie die „FAIRTRADE Women School of Leadership“ zusätzlich unterstützt. Interessierten Unternehmen bietet sich hier die Möglichkeit, über die Standards hinaus mit FAIRTRADE zusammen zu arbeiten.

Menschenrechtliche Verantwortung für Lieferbeziehungen zu Kleinbauerngenossenschaften

Wenn ihr Unternehmen Produkte zu FAIRTRADE-Bedingungen einkauft, dann bietet dies für die verkaufenden Kleinbauerngenossenschaften und ihre Mitglieder viele Vorteile: Der FAIRTRADE-Mindestpreis wirkt als Sicherheitsnetz. Die Zahlung der FAIRTRADE-Prämie ermöglicht es Kleinbauerngruppen außerdem, die Widerstandskraft ihrer Organisationen zu stärken und das Einkommen der Mitglieder zu erhöhen. Durch die FAIRTRADE-Prämie und durch die (kostenlose) Beratungs- und Schulungsarbeit des FAIRTRADE-Personals vor Ort haben Kleinbauern u.a. Zugang zu Technologieberatung, Finanzexpertise, Risikomanagement, Verbesserung der Agrarpraktiken und - immer wichtiger - Wissen und Techniken zur Anpassung an den Klimawandel. Diversifizierung und Unterstützung beim Marktzugang und Zugang zu Krediten gehören zu den regulären Schulungsangeboten und Projektinhalten, die von FAIRTRADE-zertifizierten Genossenschaften in Anspruch genommen werden.  

Mehr unternehmerische Sorgfalt durch Fairtrade-zertifiziertes Sourcing und zusätzliches Engagement

Ihr Unternehmen trägt durch seine FAIRTRADE-Lizenzgebühren, ebenso wie durch die Zahlung der Prämie und durch zusätzliche Projekte, die Sie ggf. mit Unterstützung von FAIRTRADE in Ihrer Lieferkette durchführen, finanziell zur Umsetzung der oben genannten Maßnahmen direkt bei. Dieses Engagement ist umso relevanter, je größer der Anteil FAIRTRADE-zertifizierter Absätze im Verhältnis zu ihren Gesamtabsätzen in einer Produktkategorie ist. Noch stärker kommen Sie ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nach, wenn Sie langfristige Lieferverträge mit Kleinbauernorganisationen abschließen und ihnen relevante Absatzgarantien bieten. So können die Organisationen planen und z.B. die FAIRTRADE-Prämie langfristiger und strategischer einsetzen.

FAIRTRADE erhebt regelmäßig Daten und lässt Studien durchführen, um festzustellen, ob die FAIRTRADE-Standards und -Projekte in gewünschter Weise positiv auf die Gesamtsituation von Kleinbauern und Arbeitern wirken. Diese Studien belegen, dass die Wirkung bei relevanten Absätzen einer Organisation (>30 Prozent) nachweislich positiv sind (siehe auch Seite Wirkung von FAIRTRADE).

Wenn Sie über Ihre Lieferketten Produkte aus Regionen beziehen, die in besonderem Maße von dem Risiko von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, können Sie außerdem mit FAIRTRADE gezielte zusätzliche Projekte zur Unterstützung der Kleinbauernorganisationen durchführen, von denen Sie Waren beziehen. Wir beraten Sie gerne hierzu.