Herausforderungen

Nachhaltiger Wandel braucht Zeit

Von den Reisbauernfamilien in Indien über die Arbeiterinnen auf kenianischen Blumenfarmen bis hin zu den Kleinbauernfamilien, die Kaffee in Peru anbauen: Für sie alle macht FAIRTRADE einen Unterschied. Aber auch die FAIRTRADE-Zertifizierung vermag in den oft schwierigen Kontexten nicht alle ökonomischen, sozialen und politischen Probleme zu lösen. Nachhaltiger Wandel braucht Zeit.

Viele Kleinbauernfamilien und Arbeiterinnen und Arbeiter auf Plantagen leben konstant an der Schwelle zur Armut oder darunter – sie haben weder eine attraktive Perspektive innerhalb der Landwirtschaft noch eine wirkliche Alternative. Kleinbauernfamilien leiden unter schwankenden Rohstoffpreisen und nicht selten auch unter den Folgen von Handelsstrukturen, welche Preisdruck und Risiko auf das erste und schwächste Glied in der Produktionskette abwälzen. Weitere zentrale Probleme sind steigende Lebenshaltungskosten und der Klimawandel, verbunden mit Ernteverlusten sowie strukturellen Problemen wie kleinen Landflächen. In diesem komplexen und oft von Armut geprägten Kontext operiert FAIRTRADE – mit dem Ziel, die Menschen über Organisation und Handel langfristig zu stärken.

Ob FAIRTRADE tatsächlich zu einem Wandel beiträgt, wird immer wieder untersucht, ausgewertet und überprüft. Wissenschaftler erforschen regelmäßig die Wirkung des fairen Handels. Dabei werden die Erfolge von FAIRTRADE in vielen Bereichen untermauert. FAIRTRADE hat schon viel erreicht. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, um die Vision, Welthandel fair zu gestalten, zu verwirklichen. Auf dem Weg dahin trifft der faire Handel auf zahlreiche Herausforderungen.

Das sind aktuelle Herausforderungen:

Viele Kleinbauernkooperativen können nur einen geringen Teil Ihrer Ernte zu FAIRTRADE-Bedingungen verkaufen. Bei FAIRTRADE-Kakaokooperativen liegt der Anteil zum Beispiel nur bei einem Drittel, der Rest muss am konventionellen Markt verkauft werden. FAIRTRADE wirkt aber nur, wenn die Kooperativen ihre Rohstoffe auch zu FAIRTRADE-Bedingungen verkaufen können. Daher wurden 2014 die neuen FAIRTRADE-Programme für Kakao, Zucker und Baumwolle ins Leben gerufen. Nur die einzelne Zutat wird zertifiziert, so zum Beispiel der Kakao in der Schokolade. An den FAIRTRADE-Standards ändert sich nichts. Die FAIRTRADE-Programme bieten den Kleinbauernfamilien die Chance, höhere Absätze unter FAIRTRADE-Bedingungen zu erzielen.

In vielen Ländern ist der Mindestlohn, der laut FAIRTRADE-Standards bezahlt werden muss, nicht ausreichend, um ein Leben in Würde leben zu können. 2014 wurde im Auftrag von Fairtrade International und weiteren Organisationen eine neue Methode zur länderspezifischen Berechnung existenzsichernder Löhne entwickelt. Diese werden jetzt Schritt für Schritt berechnet. Die neuen "Living-Wage" Richtlinien dienen FAIRTRADE als Grundlage im Dialog mit Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette. Sie liefern den Hinweis darauf, wer welchen Kostenanteil innerhalb der Wertschöpfungskette tragen müsste, damit existenzsichernde Löhne Realität werden. Schrittweise sollen existenzsichernde Löhne eingeführt werden, die hoch genug sind, um einen angemessenen Lebensstandard führen zu können.

Mehr zu FAIRTRADE und Arbeiterrechten lesen Sie in unserem Arbeitsschwerpunkt.

Kleinbauernkooperativen werden üblicherweise nicht nur von den Bäuerinnen und Bauern selbst bewirtschaftet, es werden auch dauerhaft angestellte Arbeiterinnen und Arbeiter und Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter beschäftigt. Die Rechte dieser Arbeiterinnen und Arbeiter werden durch bestimmte FAIRTRADE-Standards geschützt. Doch manche Regelungen gelten nur für Betriebe, die mehr als eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften beschäftigen. Deshalb wurde 2014 von Fairtrade International ein Projekt gestartet, das die Situation für Wander- und Saisonarbeiterinnen und -arbeiter sowie für Erntehelferinnen und Erntehelfer in Kleinbauernorganisationen verbessern soll.

Mit zunehmender Bekanntheit und Verfügbarkeit der Produkte wächst auch das Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten, einfach und klar über den Mehrwert von FAIRTRADE informiert zu werden. Das stellt FAIRTRADE vor die Herausforderung, einerseits transparent und konsumentenfreundlich zu kommunizieren, und gleichzeitig den umfänglichen entwicklungspolitischen Diskurs in seiner Vielschichtigkeit darzustellen. Themen wie Mengenausgleich/indirekte Rückverfolgbarkeit und Mischprodukte müssen daher auch in Zukunft klar und verständlich kommuniziert werden, um Missverständnissen vorzubeugen.

FAIRTRADE ist ein langfristiger Prozess

Erwartungen an den fairen Handel und Realitäten in den sogenannten Entwicklungsländern klaffen teilweise auseinander. FAIRTRADE sollte nicht als Allheilmittel verstanden werden, denn das Netzwerk ist in einem Umfeld tätig, das reich an Herausforderungen ist. Angesichts der komplexen Probleme werden vielfältige Lösungsansätze benötigt. Zudem braucht nachhaltiger Wandel Zeit. In diesem Prozess versteht sich FAIRTRADE selbst als lernende Organisation und entwickelt sich immer weiter, um dem Ziel eines gerechten Welthandelssystems schrittweise näher zu kommen. Faire Handelsbeziehungen auf Augenhöhe werden - trotz bestehender Herausforderungen - durch FAIRTRADE möglich.