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FAIRTRADE: Mit dem neuen Kakao-Standard in die Zukunft

Fairtrade International hat seinen Kakao-Standard überarbeitet: Vor allem in den Bereichen ausbeuterische Kinder­arbeit und Waldrodung wurden die Bestimmungen nachgebessert. Stijn Decoene, Lieferkettenexperte von Fairtrade Belgien und Mitglied im Standards-Komitee von Fairtrade International, erklärt, was sich geändert hat und warum das notwendig war.

Warum wurde der FAIRTRADE-Kakao-Standard überarbeitet?

Stijn Decoene: Fairtrade International arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung seiner Standards, daher ist dieses Update ein logischer Schritt. Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass 90 Prozent der Kakaoexporte in die EU gehen. Die EU plant die Umsetzung einer neuen Richtlinie zu Kakao ohne Entwaldung sowie zur Sorgfaltspflicht für Menschenrechte und Umwelt (Europäische Lieferkettenrichtlinie). Um den weiteren Zugang zum EU-Markt für die FAIRTRADE-Kakaobauernfamilien nicht zu gefährden, war es notwendig, unseren Kakao-Standard hinsichtlich dieser neuen rechtlichen Rahmenbedingungen zu überprüfen.

Was genau hat sich geändert?

Es wurden unter anderem weitere wichtige Anforderungen an die Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt in den FAIR­TRADE-Kakao-Standard integriert, um die Implementierung eines Risikomanagements noch stärker in den Fokus zu rücken. Der Schwerpunkt des neuen Standards liegt auf Prävention ausbeuterischer Kinderarbeit in Côte d’Ivoire und Ghana. Außerdem wurden Anforderungen ergänzt, um den Schutz gegen Waldrodung zu erhöhen, die Möglichkeit zur Rückverfolgbarkeit und Transparenz entlang der Lieferkette zu verbessern sowie die Organisationsstrukturen zu stärken.

Kinderarbeit ist im Kakaosektor leider ein großes Thema. Wie stellt FAIRTRADE sicher, dass keine Kinder ausgebeutet werden?

Zunächst einmal: Solange es Armut gibt – das heißt, solange die Bauernfamilien insbesondere im konventionellen Handel keinen angemessenen Preis für ihre Kakaobohnen erhalten –, entsteht ein starker finanzieller Druck. Ausbeuterische Kinderarbeit ist eine direkte Folge davon. Das ist leider die Realität. Unsere Pflicht als FAIRTRADE ist es, dafür zu sorgen, dass die FAIRTRADE-zertifizierten Kooperativen gut unterstützt und geschult werden und dass das Einkommen im fairen Handel ausreicht. Da das Risiko ausbeuterischer Kinderarbeit in den beiden wichtigsten Kakaoanbauländern Côte d’Ivoire und Ghana sehr hoch ist, müssen die Produzent*innen in diesen Ländern ein System zur Überwachung und Behebung von ausbeuterischer Kinderarbeit einführen. Das Ziel von FAIRTRADE ist es, die betroffenen Kinder zu schützen. Unsere FAIRTRADE-Produzentennetzwerke im Süden unterstützen die Kooperativen bei diesem Prozess. Dabei hilft ih­nen auch der FAIRTRADE-Risikomanagement-Leitfaden für Pro­duzent*in­nen. Darüber hinaus hat Fairtrade International ein offizielles Programm zur Verhinderung von ausbeuterischer Kinder- und Zwangsarbeit eingerichtet, das den Kooperativen zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Zu guter Letzt fordert Fairtrade International im überarbeiteten Kakao-Standard alle Akteur*innen in der Kakaolieferkette ausdrücklich dazu auf, FAIRTRADE-Ko­operativen bei der Umsetzung und Einhaltung der Sorgfaltspflichten fi­nanziell oder auf eine andere Weise zu unterstützen.

Inwiefern trägt der FAIRTRADE-Kakao-Standard dazu bei, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und die Umwelt zu schützen?

Das größte Umweltproblem bei der Kakaoproduktion ist die Abholzung der Wälder. Bei FAIRTRADE ge­hört es schon seit jeher zu den Priori­täten, Waldverluste zu verhindern und die biologische Vielfalt zu schützen.

Das spiegelt sich auch in unseren Standards wider. Der überarbeitete Kakao-Standard enthält nun explizi­te Anforderungen an die Produzen­ten­organisationen: Das ist beispielsweise die GPS-Kartierung aller Farmen, die zu FAIRTRADE-zertifizierten Kooperativen gehören. Bei Farmen größer als vier Hektar müssen nun auch die Grenzen der Anbaugebiete kartiert werden, um den Zustand der Wälder mithilfe von Satellitenbildern überwachen zu können. Damit kennen wir den Istzustand des lokalen Waldbestands, können vergangene Waldrodungen nachvollziehen und weitere Abholzungen unterbinden.

Darüber hinaus muss der Weg der Kakaobohnen rückverfolgbar sein: von der Kakaofarm zur Genossenschaft bis zum Exporthafen. Damit wird verhindert, dass FAIR­TRADE-zertifizierter Kakao mit nicht zertifiziertem Kakao vermischt werden kann.

Wer hat an der Überarbeitung des Kakao-Standards mitgewirkt?

Vor jeder Überarbeitung der FAIR­TRADE-Standards werden alle FAIRTRADE-Stakeholder*innen weltweit befragt – angefangen bei den Kakao­bäuerinnen und -bauern über die Händler*innen bis hin zum anderen Ende der Lieferkette, also zu den Schokoladenunternehmen zum Beispiel in Österreich. Der neue Kakao-Standard bildet somit die Anforderungen des Marktes ebenso wie die Fairness für die Kakaobäuerinnen und -bauern ab.

Je mehr Standards es gibt, desto komplizierter wird es für die Kleinbauernkooperativen, auf dem Laufenden zu bleiben. Was tut Fairtrade International, um diesen dabei zu helfen?

Der Schlüsselfaktor ist die Unterstützung der Kleinbauernfamilien vor Ort: So wie FAIRTRADE Österreich mit österreichischen Unternehmen zusammenarbeitet, um den heimischen Markt nachhaltiger zu gestalten, arbeiten die FAIRTRADE-Produzentennetzwerke im Sü­den, zum Beispiel Fairtrade Afrika, mit den Kakaokooperativen zusammen. Sie unterstützen sie bei der Umsetzung der neuen Anforderungen, die in der Tat sehr anspruchsvoll sind, und stärken sie als Organisation. Diese Zusammenarbeit entlang der gesamten Lieferkette ist ein wichtiger Mehrwert des weltweiten FAIRTRADE-Netzwerks.

Wann müssen die Kriterien des neuen Kakao-Standards erfüllt werden?

Der FAIRTRADE-Kakao-Standard, der im Dezember 2022 präsentiert wur­de, ist 2023 in Kraft getreten und wird bereits Schritt für Schritt umgesetzt. Für das Erfüllen einiger Kriterien, wie beispielsweise die Implementierung digitaler Lösungen zur Rückverfolgung aller verkauften Kakaobohnen bis zum Ursprungsfeld, wird den Produzentenorganisationen eine Übergangsfrist eingeräumt.

Nähere Infos zu den FAIRTRADE-Standards gibt es hier.