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Drei große Aufgaben für die Zukunft

Ein Gastkommentar von Johanna Mang, Vorstandsvorsitzende von FAIRTRADE Österreich.

Von links nach rechts: Hartwig Kirner, Geschäftsführer von FAIRTRADE Österreich, Johanna Mang und der ehemalige Vorstandsvorsitzende Helmut Schüller freuten sich bei der Generalversammlung über 30 Jahre FAIRTRADE!

„Nica“ hieß der erste FAIRTRADE-Kaffee im Jahr 1993. Zu kaufen gab es dieses Nischenprodukt in den Weltläden und bei kirchlichen Veranstaltungen, wie etwa Weihnachtsmärkten. Getrunken habe ich Nica aus politischer Überzeugung, von Genuss konnte damals noch nicht wirklich die Rede sein. Heute kann ich zwischen zahlreichen FAIRTRADE-Kaffeesorten und -röstungen wählen. Es gibt verschiedene Qualitätsstufen und Preisklassen sowie Produkte aus biologischem Anbau.

FAIRTRADE-Kaffee schmeckt wirklich gut, und das nicht nur mir: In Österreich werden täglich über 1,5 Millionen Tassen FAIRTRADE-Kaffee getrunken, knapp ein Viertel davon in Restaurants, Kantinen und Kaffeehäusern. In den bisherigen 30 Jahren sind zudem FAIR­TRADE-Bananen, -Kakao, -Schokolade, -Reis, -Blumen und vieles andere zu selbstverständlichen Haushaltsprodukten geworden. Hinter dieser Erfolgsgeschichte stehen über 200 Partnerunternehmen in Österreich, welche die FAIR­TRADE-Rohstoffe verarbeiten und FAIR­TRADE-Produkte in ihrem Sortiment führen.

Erfolgreiche Unternehmen sowie zufriedene Kund*innen sorgen dafür, dass der FAIRTRADE-Markt in Österreich weiter wächst. Aber wozu? Geht es um meinen Genuss, mein Wohlbefinden? Ja, ein bisschen schon. Vielmehr geht es mir aber immer noch darum, dass die Bäuerinnen und Bauern, die lokalen Produzent*innen, einen fairen Preis erhalten, dass die Lebens- und Produktionsbedingungen vor Ort den weiteren Anbau ermöglichen und es auch für die junge Generation Perspektiven gibt. FAIRTRADE hat gezeigt, dass Lieferketten fair gestaltet werden können. Ist das jetzt schon genug?

Können wir uns zurücklehnen? Mitnichten! Ich sehe drei große Aufgaben, die vor uns liegen.

Den Absatz steigern: Es gilt, den Marktanteil von FAIRTRADE-Produkten weiter zu steigern, mit dem Ziel, die direkten Einnahmen der Produzent*innen zu erhöhen. Mehr Direkteinnahmen ermöglichen den Kooperativen, in so wichtige Projekte wie Gesundheit, Weiterbildung und Umweltschutz zu investieren: Im Rahmen einer Pressereise nach Ruanda besuchten wir im Juni 2023 die Kaffee-Kooperative Dukundekawa. Stolz wurden uns eine Rösterei, eine große Trocknungsanlage und eine Anlage zur Herstellung von Milchprodukten gezeigt; alle Projekte wurden teilweise mit der FAIRTRADE-Prämie finanziert und sorgen bereits für wichtige zusätzliche Einkommensquellen, die den Kooperativenmitgliedern zugutekommen.

Dem Klimawandel aktiv begegnen: Die Kaffeebauernfamilien sind schon jetzt vom Klimawandel betroffen, ohne diesen verursacht zu haben. Viele haben mit geringeren Ernten und damit mit einem geringeren Einkommen zu kämpfen. Wenn keine Perspektiven zu sehen sind, wandert die junge Generation ab. FAIRTRADE kann nicht den Klimawandel beenden, aber sehr wohl in Projekte zur Anpassung an den Klimawandel investieren, den Austausch zwischen den Produzent*innen fördern, die bestehenden Netzwerke dazu nutzen und sich politisch engagieren. All das ist natürlich auch für alle anderen FAIRTRADE-Produkte wie Bananen, Kakaobohnen, Baumwolle usw. höchst relevant. Wir wissen um die Dringlichkeit, wir müssen handeln und zwar jetzt und gemeinsam.

Lieferkettengesetz mit Leben erfüllen: Die Verhandlungen über das EU-Lieferkettengesetz sind im Gange. Manche Länder wie Deutschland und die Niederlande haben bereits erste nationale Gesetze erlassen. Es gilt nun, diese griffig und praxistauglich zu machen. FAIR­TRADE kann das Wissen und die Erfahrungen aus den Produzentenländern in die Verhandlungen und in Folge auch in die Umsetzung einbringen. Die sozialen, ökonomischen und ökologischen FAIRTRADE-Standards sind ein wesentlicher Baustein dafür. Und es gilt, diese auch in den eigenen Produzenten-Netzwerken nachvollziehbar einzuhalten.

Um diese drei großen Aufgaben erfüllen zu können, braucht FAIRTRADE auch weiterhin verlässliche Partner*innen in Österreich. Welche, die nicht am Bestehenden festhalten, sondern die vielmehr bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen und sich wirklich für gerechte Preise, tragbare Klimalösungen und fairen Handel einzusetzen. Wenn Sie diese Zeitung in Händen halten und gelesen haben, gehören Sie schon dazu – Sie interessieren sich für den Wandel im Handel und kaufen bei Partnerunternehmen von FAIRTRADE ein. Ihre bewusste (Kauf-)Entscheidung trägt dazu bei, dass der faire Handel hierzulande nicht nur ein Siegel auf Verpackungen ist, sondern eine Bewegung, die immer größer wird.

Danke für die vergangenen 30 Jahre! Mögen wir auch weiterhin gemeinsam eine faire Zukunft gestalten und dabei über uns hinauswachsen. Eine Tasse guter FAIRTRADE-Kaffee soll uns dabei immer begleiten.

Zur Person:

Seit Mai 2023 ist Johanna Mang die neue ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende von FAIRTRADE Österreich. Sie bringt umfangreiche berufliche Erfahrung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und des Umweltschutzes mit, unter anderem als ehemalige Geschäftsführerin des WWF Österreich und Mitarbeiterin der Austrian Development Agency. Zuletzt war sie für Licht für die Welt in verschiedenen Funktionen tätig.